Als mich der Coach S. anschrieb und mir ein kostenloses Coaching gegen Feedback anbot, habe ich zugesagt. Denn ich finde die Herangehensweise Ideen und Konzepte schnell in die Umsetzung zu bringen und sich Rückmeldung von der Zielgruppe zu holen sehr sinnvoll (gleiche Herangehensweise z.B. im Design Thinking)! Zudem bin ich hilfsbereit, offen und neugierig neue Methoden auszuprobieren, insbesondere unter Kolleg:innen.
Was in unserem Video-Call folgt: Es geht ca. 45 Min um PROBLEME! Immer wieder fragt mich der selbsternannte Coach (sprich ohne jegliche Ausbildung in dem Bereich, denn der Begriff ist nicht geschützt), „Stell dir vor du erreichst dein Ziel nicht, wie fühlt sich das an?“, „Warum hat xy noch nicht geklappt, das stell ich mir ja total FRUSTRIEREND vor?“, Ähnliches in Dauerschleife… Ich wunderte mich, da für mich Lösungsorientierung und Ressourcenstärkung zentrale Wirkelemente im Coaching sind. Ich möchte mich mit Lösungsideen beschäftigen, doch er macht weiter nach Schema F, sucht akribisch nach Schwächen, Ängsten und Sorgen. „Blöd“ nur, dass hier Dinge zu Problemen erklärt wurden, die für mich gar keine waren. Mein einziger Frust war seine Arbeitsweise, denn hier ging es irgendwie gar nicht um meine Ziele und Probleme, sondern eher um die, die er sich überlegt hatte.
Um das überspitzt zu verdeutlichen: Stell dir mal vor jemand sagt dir „Wieso hast du noch keinen Porsche vor der Haustür stehen, das muss sich ja anfühlen, als ob du versagt hättest“. Ich nehme an, dass sich (sofern du dir keinen Porsche wünschst) diese Aussage für dich seltsam anfühlt? Ungefähr so erging es mir auch.
Er meint ich sei für das Coaching „geeignet“ (welch „Ehre“, ich habe mich also als Kundin qualifiziert?)!😉 Er sagt wörtlich „𝗜𝗰𝗵 𝘄𝗲𝗶ß, 𝗱𝗮𝘀𝘀 𝗶𝗰𝗵 𝗱𝗶𝗿 𝗴𝗲𝗯𝗲𝗻 𝗸𝗮𝗻𝗻 𝘄𝗮𝘀 𝗱𝘂 𝗯𝗿𝗮𝘂𝗰𝗵𝘀𝘁.“ Interessant ist, dass er gar nicht gefragt hat, was denn im Detail mein Ziel ist, was mir wichtig ist. Er behauptet, dass ich durch ihn „mein Ziel“ erreichen kann, wenn ich bereit bin Zeit und ein finanzielles Investment in mich zu tätigen, 3000€ – nennt er im Nebensatz. Ob das so für mich passt?
STILLE
Ich lehne dankend ab. Er ist sichtlich enttäuscht. Ich biete trotzdem Feedback für seine Sitzung an (Reminder, darum sollte es ja primär gehen), woran er jedoch gar kein Interesse hat! Scheinbar war es also doch eher eine Masche um mir etwas zu verkaufen.
Ich finde das Gespräch auf Kommunikations- und Psychologieebene durchaus interessant. Es ist so ungefähr das Gegenteil meines Coachingverständnisses und leider ein Grund, warum Coaching teils einen schlechten Ruf hat! Ich vermute diese Methode versucht Klient:innen gänzlich mit ihren Problemen zu assoziieren, damit sie sich klein und hilflos fühlen, damit der Coach dann als Retter mit seinen GEHEIMTIPPS daherkommen kann. Ein Heilsversprechen, dass -selbstredend- alle Träume wahr werden lässt (Stichworte 5-stellige Monatsumsätze) und das mit Leichtigkeit – bäm. Immerhin nehme ich für mich die Gewissheit mit, wie ich selbst es nicht machen möchte, das ist ja auch was wert.
Ich befürchte irgendwo muss es sie ja geben, die Menschen, die auf diese Masche hereinfallen. Daher ist es mir ein Anliegen darüber aufzuklären: 𝗖𝗼𝗮𝗰𝗵𝗶𝗻𝗴 ≠ 𝗖𝗼𝗮𝗰𝗵𝗶𝗻𝗴! Die Bezeichnung „Coach“ ist nicht geschützt. Deshalb ist es besonders wichtig, bei der Wahl eines Coaches darauf zu achten, dass die Qualitäts-Kriterien für professionelles Coaching erfüllt sind – durch eine fundierte Ausbildung und vor allem die richtige Haltung!
Woran kann man nun erkennen, ob es sich um ein seriöses Coachingangebot handelt?
Wann du hellhörig werden darfst….
- …wenn dir Versprechungen gemacht werden, die irgendwie zu schön klingen um wahr zu sein. Unrealistische Heilsversprechen.
- …wenn von Programmen und Geheimtipps die Rede ist und es eher nach Schema F abzulaufen scheint. Denn diese vorgegebenen Wege, passen ggf. überhaupt nicht zu deiner Persönlichkeit oder deiner Lebenslage!
- …wenn du dich unter Druck gesetzt fühlst mit Angeboten, die du sofort oder sehr schnell zusagen musst ohne Bedenkzeit zu haben.
- …wenn es den Anschein von einem Schneeballprinzip hat.
Achte bei der Auswahl für ein Coaching darauf….
- … dass es beim Coaching individuell um deine persönlichen Ziele und deinen Weg geht.
- .. dass du dich im Vorgespräch und Coaching gestärkt fühlst und es auf Augenhöhe, lösungs- und ressourcenorientiert ist.
- … dass die Person eine anerkannte Ausbildung bei einem seriös wirkenden Institut hat oder anders nachvollziehbar eine Expertise in dem Gebiet.
- … und natürlich auch auf deine Intuition, dein Bauchgefühl!
Dies ist ein Erfahrungsbericht von 2023 auf LinkedIn
Ein interessanter Beitrag zu diesen fragwürdigen Angeboten auch von der Coaching Akademie Berlin, bei der ich meine Ausbildung zur systemischen Coachin gemacht habe.